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Nachrichten

Aktuelles aus dem juristischen Bereich

Ehe- und Familienrecht

Unterstützende Geltendmachung von verziehenen Eheverfehlungen

Körperliche Gewalt gegen den Ehegatten stellt unabhängig von der Schwere des Vorfalls und ungeachtet des vorangegangenen Verhaltens des Opfers eine schwere Eheverfehlung dar. Die Feststellung, dass ein Ehegatte „im Zuge eines Streits handgreiflich“ geworden ist, reicht daher ohne Präzisierung für die Annahme einer schweren Eheverfehlung aus.

Verfristete Eheverfehlungen können gem § 59 Abs 2 EheG zur Unterstützung einer auf nicht präkludierte Verfehlungen gestützten Scheidungsklage geltend gemacht werden. Gleiches gilt analog für verziehene Eheverfehlungen.

Die nicht präkludierten Eheverfehlungen müssen in diesem Fall nicht für sich allein, sondern bloß gemeinsam mit den verfristeten oder verziehenen Verfehlungen die Schwere eines Scheidungsgrundes erreichen.  OGH 17. 12. 2020, 6 Ob 99/20g = Zak 2021/80 (Kolmasch)


Heimaufenthalt – Isolierung eines Bewohners trotz negativer COVID-19-Tests – Zak 2020/659

In einem Altersheim kann die Isolierung eines Bewohners mit Außenkontakt während des Quarantänezeitraums trotz negativer COVID-19-Tests als Freiheitsbeschränkung zulässig sein, wenn aufgrund der Demenzerkrankung keine gelinderen Mittel zum Schutz der Mitbewohner (wie Abstandsregeln und Mund-Nasen-Schutz) zur Verfügung stehen.

Eine Gehörverletzung kann im Außerstreitverfahren nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führen, wenn sie zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausschlagen konnte.

Im Verfahren über die Zulässigkeit der Isolierung des dementen Bewohners aufgrund der COVID-19-Pandemie verschaffte sich das Gericht keinen persönlichen Eindruck von dem Bewohner, zog ihn nicht der Verhandlung bei, führte die Verhandlung nicht in der Einrichtung durch und holte weder ein Pflegegutachten noch ein medizinisch-psychiatrisches Gutachten ein. Da im Verfahren ausschließlich das Infektionsrisiko und die Präventionsmöglichkeiten zu klären waren, stellen diese Umstände mangels Entscheidungsrelevanz keine in dritter Instanz aufgreifbaren Verfahrensmängel dar.  (OGH 23. 9. 2020, 7 Ob 151/20m)


Mitwirkungspflicht des Unterhaltsschuldners im Unterhaltsverfahren – Zak 2020/ 542

Den Unterhaltsschuldner trifft im außerstreitigen Unterhaltsverfahren eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Diese Mitwirkung ist insb dann erforderlich, wenn die amtswegige Ermittlung durch das Gericht an ihre Grenzen stößt. Unterbleibt die Mitwirkung, kann die Bemessungsgrundlage vom Gericht nach freier Würdigung geschätzt werden.

OGH 08.07.2020, 3 Ob 91/20h


Rückwirkende Erhöhung des Unterhaltsvorschusses während des Abschöpfungsverfahrens – Zak 2020/ 543

Während des Abschöpfungsverfahrens ist in Hinblick auf die zu erwartende Restschuldbefreiung iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG davon auszugehen, dass eine offene Unterhaltsforderung aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung nicht mehr in der vollen titulierten Höhe, sondern nur noch in Höhe der zu erwartenden Quote besteht. Aufgrund einer rückwirkenden Titelerhöhung können die Unterhaltsvorschüsse für solche Unterhaltsforderungen daher nur im Umfang der erreichbaren Quote rückwirkend erhöht werden.

Da für § 7 Abs 1 Z 1 UVG allein die materiell richtige Unterhaltsverpflichtung maßgeblich ist, kann dagegen nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass der titulierte Unterhaltsanspruch formell fortbesteht, weil der Unterhaltsschuldner den Straftatbestand der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 198 StGB) erfüllt hat und die Unterhaltsforderung deshalb gem § 215 Z 1 IO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist.

OGH 29.04.2020, 10 Ob 16/20f


Vorläufige Entziehung der Obsorge nur nach Verhältnismäßigkeitsprüfung – Zak 2020/ 541

Die vorläufige Entziehung der Obsorge nach § 107 Abs 2 AußStrG setzt keine akute Gefährdung des Kindeswohls voraus. Es genügt, dass das Kindeswohl dadurch gefördert wird.

Da es sich um einen Grundrechtseingriff handelt, ist bei der vorläufigen Entziehung der Obsorge jedoch äußerste Zurückhaltung geboten. Sie darf nur aufgrund einer ausreichenden Tatsachengrundlage und nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgen.

Für die Beurteilung des Kindeswohls sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung maßgeblich. Im Rechtsmittelverfahren sind daher alle aktenkundigen Änderungen der Tatsachengrundlagen zu berücksichtigen.

OGH 12.08.2020, 4 Ob 110/20k


Anspannungsprinzip im Unterhaltsrecht:
Der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte verstößt gegen den Anspannungsgrundsatz, wenn er das Liegenschaftsvermögen, aus dem er sein Einkommen bisher erzielt hat, zugunsten eines Wohnrechts und Ausgedinges einem Kind übergibt. Bei der Bemessung des Scheidungsunterhalts kann er daher auf jene Einkünfte angespannt werden, die durch Vermietung oder Verpachtung erzielbar wären.OGH/N.N. (Anm-Zak)/Gitschthaler, Edwin (Anm-EF-Z) 27.03.2014, 1 Ob 44/14y RIDA-Nummer: 0283435, Fundstellen: Zak 2014/314, 171 = JUS Z/5578 = EF-Z 2014/112, 176 = JBl 2014, 599


Pflichtteilsminderung:
Seit dem KindRÄG 2001 schließt § 773a Abs 3 ABGB eine Pflichtteilsminderung unter Berufung auf das fehlende Naheverhältnis aus, wenn der Erblasser persönliche Kontakte mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat.OGH/Tschugguel, Andreas (Anm-EF-Z) 19.03.2015, 6 Ob 226/14z RIDA-Nummer: 0299070, Fundstellen: Zak 2015/429, 234 = EF-Z 2015/106, 183


Kindesunterhalt:
Bei der Bemessung des Geldunterhalts des Kindes für einen vergangenen Zeitraum können notwendige und bedarfsdeckende Naturalleistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils auch dann anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn der Obsorgeberechtigte nicht zugestimmt hat und die Leistungen nicht in Alimentations-, sondern in Schenkungsabsicht erbracht wurden.

OGH 10.09.2012, 10 Ob 34/12s  RIDA-Nummer: 0261809, Fundstellen: Zak 2012/761, 415 = iFamZ 2012/208, 28


AUCH EINSTWEILIGER UNTERHALT IN VOLLER HÖHE:

OGH 22.12.2011, 1 Ob 235/11 g
Zwischen zwei Eheleuten war ein Scheidungsverfahren anhängig und hat die beklagte Ehefrau daraufhin als schlechter verdienender Ehepartner einen Antrag gestellt, ihren Ehegatten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens zur Leistung einstweiligen Unterhaltes zu verpflichten.
Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr – entgegen verschiedener Rechtsmeinungen – ausgeführt, dass ein derartiger „vorläufiger Unterhalt“ in voller Höhe zuzuerkennen sei und nicht nur so bemessen sein müsse, dass der einkommensschwächere Ehepartner lediglich zu bescheidener Lebensführung fähig ist.


GLEICHGESCHLECHTLICHE PAARE: KEINE GEMEINSAME OBSORGE

OGH 30.11.2011, 7 Ob 124/11 b: Der Oberste Gerichtshof hat einen Antrag von zwei Frauen, die seit Jahren in einer Lebensgemeinschaft wohnen, auf Regelung der gemeinsamen Obsorge für das Kind, welches eine der Frauen nach einer in Dänemark vorgenommenen Inseminati-on geboren hat, abgelehnt, mit der Begründung, dass das Gesetz keine gemeinsame Obsorge von Ehegatten/Partner für ein bloß von einem der beiden stammendes Kind vorsehe; diese Rechtslage gelte selbst bei verschieden geschlechtlichen Eheleuten, wenn einer der Partner ein Kind in die Ehe miteinbringe, sodass keine Gleichheitswidrigkeit und damit keine Benachteiligung von gleichgeschlechtlichen Partner vorliege.


Die faktische Beendigung einer Einstweiligen Maßnahme des Jugendwohlfahrtträgers beendet die diesem zukommende Einstweilige Obsorge.

RA Dr. Andreas Reischl, am Verfahren beteiligt.

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Schadersatzanspruch des Vaters gegen die Mutter des gemeinsamen Kindes, die das Besuchsrecht des Vaters hartnäckig vereitelt hatte.

OGH 12.04.2011, 4 Ob 8/11x, Fundstellen: Zak 2011/312, 170 = RZ 2011/15


Kein Ausschluss der gemeinsamen Elternschaft zweier gleichgeschlechtlicher Personen.

OGH 22.03.2011, 3 Ob 147/10d, Fundstellen: ÖJZ EvBl-LS 2011/92, 570 = RdM 2011/81, 96 = RZ 2011/EÜ 143


Auswirkungen der Insolvenz auf die Unterhaltsbemessung: Der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Erwerbseinkommen auf Grund der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen oder daran anschließender insolvenzrechtlicher Konsequenzen nicht zur Gänze zur Verfügung steht, führt für sich allein nicht zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht.OGH 05.05.2010, 1 Ob 160/09zFundstelle: JBl 2010, 431


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